Geologisch lebendige Kontinente erzeugen höhere Artenvielfalt
Dank eines neuen Computermodells k?nnen Forschende der ETH Z¨¹rich nun besser erkl?ren, weshalb die Regenw?lder Afrikas weniger Arten beherbergen als die Tropenw?lder S¨¹damerikas und S¨¹dostasien. Der Schl¨¹ssel zu einer hohen Artenvielfalt ist, wie dynamisch sich die Kontinente ¨¹ber die Zeit entwickelt haben.
Tropische Regenw?lder sind die artenreichsten Lebensr?ume der Erde. Sie beherbergen eine riesige Zahl von verschiedenen Pflanzen, Tieren, Pilzen und weiterer Organismen. Diese W?lder liegen mehrheitlich auf drei Kontinenten, darunter das Amazonasbecken in S¨¹damerika, das Kongo-Becken in Zentralafrika und das riesige Inselarchipel S¨¹dostasiens.
Nun k?nnte man annehmen, dass alle tropischen Regenw?lder aufgrund des stabil warmfeuchten Klimas und ihrer geografischen Lage rund um den ?quator in etwa gleich artenreich sind ¨C das trifft jedoch nicht zu. Verglichen mit S¨¹damerika und S¨¹dostasien ist die Artenzahl in feuchten Tropenw?ldern Afrikas bei vielen Organismengruppen deutlich kleiner.
Palmenvielfalt in Afrika viel kleiner
Diese ungleiche Verteilung ¨C Forschende sprechen von der ?pantropischen Diversit?tsdisparit?t? (PDD) - l?sst sich anhand von Palmen gut illustrieren: Von den weltweit 2500 Arten kommen 1200 in S¨¹dostasien und 800 in den Tropenw?ldern S¨¹damerikas vor, aber nur 66 in afrikanischen Regenw?ldern.
Weshalb dem so ist, ist unter Biodiversit?tsforschenden umstritten. Einige Indizien sprechen daf¨¹r, dass das gegenw?rtige Klima f¨¹r die geringere Artenvielfalt in Afrikas Tropenw?ldern die Ursache ist. So ist das Klima in Afrikas Tropeng¨¹rtel trockener und k¨¹hler als das in S¨¹dostasien und S¨¹damerika.
Andere Hinweise sprechen eher daf¨¹r, dass sich die unterschiedliche Entwicklung der Umwelt und der Plattentektonik der drei Tropenwaldzonen ¨¹ber Dutzende Millionen von Jahren auf die Entstehung unterschiedlich grosser Biodiversit?t auswirkte. Zu solchen Ver?nderungen geh?ren beispielsweise die Bildung von Gebirgen, Inseln oder Trocken- und W¨¹stengebieten.
Die beiden Faktoren ¨C gegenw?rtiges Klima und Umweltgeschichte - lassen sich jedoch nur schwer auseinanderhalten.
Gebirgsbildung f?rderte Artenvielfalt
Forschende der ETH Z¨¹rich unter der Federf¨¹hrung von Lo?c Pellissier, Professor f¨¹r Landschafts?kologie, sind nun dieser Frage mithilfe eines neuen Computermodelles nachgegangen. Dieses Modell erlaubt es ihnen, die Evolution und Diversifizierung der Arten ¨¹ber viele Millionen von Jahren hinweg zu simulieren. Die Forschenden kommen zum Schluss, dass das gegenw?rtige Klima nicht der Hauptgrund sei, weshalb die Artenvielfalt in den Regenw?ldern Afrikas geringer ist. Die Artenvielfalt, so schliessen sie aus den Simulationen, wurde durch die Dynamik der Gebirgsbildung und Klimaver?nderungen hervorgebracht. Die Ergebnisse der Simulationen decken sich weitgehend mit den heute beobachtbaren Mustern der Biodiversit?tsverteilung.
?Unser Modell best?tigt, dass Unterschiede in der Dynamik der fr¨¹hzeitlichen Umwelt die ungleiche Verteilung der Artenvielfalt hervorbrachten und nicht aktuelle klimatische Faktoren?, sagt Pellissier. ?Geologische Prozesse sowie globale Temperaturfl¨¹sse bestimmen, wo und wann Arten entstehen oder aussterben.?
Entscheidend f¨¹r eine hohe Artenvielfalt auf einem Kontinent ist insbesondere die Dynamik geologischer Prozesse. Aktive Plattentektonik f?rdert die Gebirgsbildung, wie die Anden in S¨¹damerika, oder die Entstehung von Insel-Archipelen wie in S¨¹dostasien. Beide Prozesse f¨¹hren dazu, dass sich viele neue ?kologische Nischen bilden, in denen wiederum zahlreiche neue Arten entstehen. Der Regenwaldg¨¹rtel Afrikas hingegen war in den vergangenen 110 Millionen Jahre tektonisch weniger aktiv. Auch war dieser Tropenwald verh?ltnism?ssig klein, da er von Trockengebieten im Norden und S¨¹den begrenzt war und sich nicht weiter ausdehnen konnte. ?Arten aus Regenw?ldern k?nnen sich kaum an die Verh?ltnisse der umgebenden Trockengebiete anpassen?, betont Pellissier.
Neues Modell
Das von ETH-Forschenden entwickelte Modell ?gen3sis? wurde erst k¨¹rzlich im Fachjournal PLoS Biology vorgestellt. Es ist ein mechanistisches Modell, in welchem die prim?ren Rahmenbedingungen wie die Geologie und das Klima sowie die biologischen Mechanismen eingebaut sind und aus welchen die Biodiversit?tsmuster hervorgehen. Um die Entstehung der Biodiversit?t zu simulieren, m¨¹ssen folgende wichtige Prozesse im Modell integriert werden: ?kologie (jede Art hat ihre begrenzte ?kologische Nische), Evolution, Artbildung (engl: speciation) und Ausbreitung (engl: dispersal).
?Mit diesen vier grundlegenden Regeln k?nnen wir die Bestandsdynamik von Organismen vor dem Hintergrund von sich verschiebenden Umweltbedingungen simulieren. Dadurch k?nnen wir auch sehr gut erkl?ren, wie die Organismen entstanden?, sagt Pellissier.
Indem die Forschenden ihr Modell auf diesen grundlegenden evolution?ren Mechanismen aufbauen, k?nnen sie die Artenvielfalt simulieren, ohne dass sie es mit (Verbreitungs-)Daten f¨¹r jede einzelne Art f¨¹ttern m¨¹ssen. Das Modell braucht jedoch Daten ¨¹ber die Dynamik der betrachteten Kontinente in der Erdgeschichte sowie ¨¹ber die Feuchtigkeit und Temperaturen aus Klimarekonstruktionen.
Pellissier und seine Mitarbeitenden sind nun dabei, das Modell zu verfeinern. Mit weiteren Simulationen wollen sie verstehen, wie Biodiversit?t in anderen artenreichen Regionen entstanden ist, etwa in den Gebirgen Westchinas. Der Modellcode und die Rekonstruktionen der fr¨¹hzeitlichen Umwelt sind quelloffen. Alle interessierten Evolutions- und Biodiversit?tsforschenden k?nnen ihn nutzen, um die Bildung von Artenvielfalt in verschiedensten Regionen der Welt zu untersuchen.
Literaturhinweis
Hagen O, Skeels A, Onstein R, Jetz W, Pellissier L. Earth history events shaped the evolution of uneven biodiversity across tropical moist forests. Proc Natl Acad Sci USA October 5, 2021 118 (40) e2026347118; doi: externe Seite10.1073/pnas.2026347118call_made
Hagen O, Fl¨¹ck B, Fopp F, Cabral JS, Hartig F, Pontarp M, et al. (2021) gen3sis: A general engine for eco-evolutionary simulations of the processes that shape Earth¡¯s biodiversity. PLoS Biol 19(7): e3001340. externe Seitedoi: 10.1371/journal.pbio.3001340call_made